Lebenswege von Menschen mit Beeinträchtigungen – nach Ortschaften und in alphabetischer Reihenfolge.
Berta Blach
Berta Blach wurde am 27.11.1878 in Abterode geboren. Sie war eine Tochter des jüdischen Kaufmanns Bermann Blach und seiner Frau Karoline geb. Fink. Am 6.11.1933 lebte sie noch in Abterode, danach wohl in Beiseförth. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kam sie in die für Frauen vorgesehene Heil- und Pflegeanstalt Merxhausen. Über ihre Behinderung oder Erkrankung wissen wir bis jetzt nichts. Für die Ermordung von jüdischen Patienten aus den Pflegeanstalten Haina, Marburg und Merxhausen hatte das Reichsinnenministerium ein „Sonderprogramm“ eingerichtet, das zunächst die Zusammenlegung in der „Zwischenanstalt“ Gießen vorsah und dann die Verlegung in die für Juden bestimmte Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel. Berta Blach wurde am 25.9.1940 gemeinsam mit 17 anderen jüdischen Frauen aus Merxhausen in die Heil- und Pflegeanstalt Gießen verlegt und nur wenige Tage später in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel, in der sie am 1.10.1940 umgebracht wurde.
Rieckchen Hauptmann
Rieckchen Hauptmann geb. Blach wurde am 26.9.1883 als Tochter von Bermann Blach und seiner Frau Karoline geb. Fink in einer jüdischen Familie in Abterode geboren. Wir wissen bis jetzt nur sehr wenig über sie. Sie war eine Schwester der schon erwähnten Berta Blach aus Abterode. Da sie später den Familiennamen „Hauptmann“ trug, war sie wohl verheiratet. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kam sie in die „Zwischenanstalt“ nach Hamburg-Langenhorn. Von dort wurde sie am 23.9.1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg an der Havel verlegt und umgebracht.
Jettchen Heilbrunn
Jettchen Heilbrunn war am 23.2.1879 als Tochter des Buchbinders Leiser Heilbrunn und seiner Frau Sprinz geb. Goldschmidt in Abterode geboren. Sie war Jüdin. Nach dem Gedenkbuch des Bundesarchivs waren ihre letzten Wohnorte „Merzhausen und Treysa“. Sollte „Merzhausen“ eine Verschreibung von „Merxhausen“ sein? Handelte es sich um die Anstalten Merxhausen und Hephata? In den Büchern von Hephata findet sich kein Beleg. Es gibt auch ein „Merzhausen“ in der Schwalm mit einer jüdischen Gemeinde, aber auch dort ist eine „Jettchen Heilbrunn“ nicht bekannt. Ist „Sobibor“ wirklich der Tötungsort oder eine Verschleierung? Ihre Ermordung erfolgte nach Abbruch der „Aktion T4“. Für die Ermordung sprechen die Deportation ab „Kassel-Halle“ am 1.6.1942 und der Hinweis im Gedenkbuch des Bundesarchivs.
Josef Oppenheim
Josef Oppenheim wurde am 9.1.1895 als Sohn des jüdischen Kaufmanns Hess Oppenheim und seiner Frau Pauline geb. Lorge in Abterode geboren. Sein Vater Hess Oppenheim betrieb über der jüdischen Schule in Abterode ein Kolonialwarengeschäft. Hess Oppenheim soll in der Pogromnacht am 8.11.1938 schwer misshandelt und bald danach gestorben sein. Wir wissen leider nicht viel über Josef Oppenheim. Er kam zu einem unbekannten Zeitpunkt als Patient in die Heil- und Pflegeanstalt für Nerven- und Gemütskranke nach Bendorf-Sayn, einer reichsweiten Sammelanstalt für jüdische Insassen von Heil- und Pflegeanstalten in der Nähe von Koblenz. Als diese Anstalt im März 1942 geräumt werden musste, wurde er von dort am 22.3.1942 in das Ghetto Izbica in der Nähe von Lublin (Polen) verlegt, das als Durchgangsghetto für die Vernichtungslager Belzec und Sobibor diente. Dort ist er im Rahmen der Deportationen umgekommen.
Anna Katharina Oppermann
Anna Katharina Oppermann wurde am 7.3.1881 als Tochter des Tagelöhners Johann Bernhard Oppermann und seiner Ehefrau Anna Katharina geb. Fischer in Albungen geboren und evangelisch getauft. Sie besuchte die Volksschule und wurde am 21.4.1895 in Albungen konfirmiert. Als sie am 9.6.1919 mit der Diagnose „Schizophrenie“ in das Landeshospital Merxhausen aufgenommen wurde, waren beide Elternteile bereits verstorben. Sie hatte im Jahr 1914 – obwohl unverheiratet - Zwillinge geboren, und war damit „ganz überfordert.“ Eine „unglückliche Liebe“ schloss sich an. Im Juli 1918 musste sie sich in Göttingen einer Unterleibsoperation unterziehen. Ein Arzt aus Abterode hielt am 7.6.1919 fest: „Die Patientin Oppermann ist völlig alleinstehend. In einer Familie kann sie nicht untergebracht werden. Das Siechenhaus schiebt sie ab, im Krankenhaus nimmt sie nicht auf <sic>, ihr Zustand erheischt Aufnahme in eine Anstalt.“ Frau Oppermann sei „örtlich, zeitlich gut orientiert, nur im Kopfrechnen sei sie schwach“. Sie litt jedoch unter „Erregungszuständen“, die „alle paar Jahre“ wiederkehrten, in den Zwischenzeiten aber ganz oder teilweise fernblieben. Er empfahl die Aufnahme in eine geschlossene Anstalt, „am besten wohl nach Merxhausen.“ Dies geschah auch am 9.6.1919. Über ihre Entwicklung in den folgenden Jahren haben wir bis jetzt leider keine Informationen. Von Merxhausen wurde sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in die „Zwischenanstalt“ Herborn überstellt und am 19.6.1941 nach Hadamar verlegt und ermordet.
Karl August Frölich
Karl August Frölich war am 19.5.1911 in Metzebach (Kreis Melsungen) als Sohn des Lehrers Carl Frölich geboren. Am 1.6.1918 zog er mit seinem Vater, seinem Bruder Heinz und seiner Schwester Ottilie nach Archfeld, wohin sein Vater versetzt worden war. Dort besuchte er die Volksschule, anschließend das Gymnasium in Eisenach bis zur Untersekunda. Es folgten der Besuch der „Wiesenbauschule“ in Schleusingen (1928/29) und eine dreijährige Ausbildung zum „Dentisten“ (1929-1931) in Eschwege. Als er wegen Arbeitsmangel entlassen wurde, begann er noch eine kaufmännische Ausbildung in Fürstenhagen. Am 1.11.1934 meldete er sich dann zum freiwilligen Arbeitsdienst und wurde in das Arbeitsdienstlager Deichow (Kreis Crossen) eingezogen. Dort erkrankte er schon wenig später an einer schweren, fieberhaften Erkältung (Kopfgrippe?). Im Jahr 1935 wurde er wegen einem schweren Nervenzusammenbruch aus dem Arbeitsdienst entlassen und war erneut arbeitslos. Nachdem man im Oktober 1935 bei ihm Schizophrenie diagnostiziert hatte, kam er am 2.11.1935 in die Landesheil- und Pflegeanstalt nach Göttingen und von dort am 14.2.1936 in die Landesheilanstalt nach Haina. Von Haina aus wurde er am 30.4.1941 in die „Zwischenanstalt“ Idstein verlegt und am 26.5.1941 nach Hadamar gebracht, wo man ihn ermordete.
Minna Karges
Minna Karges war am 19.7.1906 in Bischhausen geboren. Leider wissen wir nicht viel über ihren Lebensweg, da die Patientenakte nicht erhalten ist. Sie wurde zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt in die Anstalt Merxhausen aufgenommen. Von dort wurde sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in die „Zwischenanstalt“ Herborn überführt. Am 19.6.1941 wurde sie nach Hadamar verlegt und ermordet.
Georg Heinrich Gisselbach
Sehr viel mehr Informationen haben wir über Georg Heinrich Gisselbach. Er war am 31.12.1894 als Sohn des Ackermanns Heinrich Andreas Gisselbach und seiner Frau Martha Elisabeth geb. Sangmeister in Burghofen geboren, am 13.1.1895 dort in der Schule evangelisch getauft und am Palmsonntag 1909 in Schemmern konfirmiert worden. Von Beruf war er – wie sein Vater – Landwirt. Mit 20 Jahren zog er als Soldat in den Ersten Weltkrieg. Am 18.11.1916 wurde er bei einem Patrouillengang in Folge des Einschlags einer feindlichen Granate verschüttet. Ein Mitsoldat gab 1926 zu Protokoll: „Ich habe ihn herausgegraben, und er verfiel dann in Ohnmacht. Von dieser Zeit an war Gisselbach zeitweise blöde und kränklich. Der Mann hat aber trotzdem seinen Dienst weiter getan. Sein Pflichtgefühl liess es nicht zu, sich in ärztliche Behandlung zu geben.“ Nach Entlassung aus dem Kriegsdienst im Jahr 1918 arbeitete Gisselbach bei seinem Vater in der Landwirtschaft. Am 21. Mai 1921 heiratete er Elise Simon. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Seine Frau gab 1926 zu Protokoll: „Inzwischen habe sich sein Wesen dauernd mehr verändert, er habe sein Äußeres vernachlässigt, er schlafe schlecht, steht oft des nachts auf und füttere die Pferde, obwohl sie schon am Abend abgefüttert seien und käme meist erst gegen Morgen zur Ruhe. Oft soll er stundenlang am Wasser stehen und hineinstarren, ohne sich zu rühren. Auf Fragen gibt er meist keine Antwort. … Seine Arbeit sei gleich null.“ Im Jahr 1925 bedrohte Gisselbach einen Knecht auf dem Hof seines Vaters und auch seine Frau mit einer Axt. Daraufhin bat seine Frau Elise Gisselbach um Unterbringung in einer Anstalt. Am 2.4.1926 wurde er in der Landesheilanstalt Marburg aufgenommen. Die dortige Diagnose lautete auf „Schizophrenie“. Als ihn seine Frau und sein Kind dort am 8.7.1929 besuchten, nahm er keine Notiz davon. Im Tagesvermerk vom 18.2.1930 heißt es: „Stumpf, absolut teilnahmslos. Vegetiert dahin, bedarf sorgfältigster Pflege, damit er nicht verwahrlost. Bei der Arbeit in der Flechterei ist seine Leistung gleich Null. Er sitzt herum, oder steht irgendwo in einer Ecke oder am Fenster, tut nichts.“ Als ihn seine Frau im Jahr 1927 besuchte, hat er „fast nichts gesprochen; ablehnend, finster, sagt nur zum Schluss: ‚raus müsse er‘.“ Im Jahr 1936 werden heftige Erregungszustände protokolliert. Gisselbach schimpfte, „ohne dass man daran einen Grund oder Zweck erkennen könnte.“ Man beruhigte ihn durch die Injektion des Medikaments „Skopolamin“. Von Marburg kam Gisselbach am 28.4.1941 in die „Zwischenanstalt“ Scheuern, eine Einrichtung der Inneren Mission. Am 11.6.1941 wurde er nach Hadamar verlegt und ermordet.
Josef Pfifferling
Josef Pfifferling war am 11.7.1870 als Sohn des jüdischen Händlers Callmann Pfifferling und seiner Frau Rickchen geb. Rosenbaum in Datterode geboren. Am 19.9.1939 wurde er als Patient in die Landesheilanstalt Haina aufgenommen mit der Diagnose „Dementia senilis“. Aus Haina wurde er am 25.9.1940 in die „Sammelanstalt“ Gießen und am 1.10.1940 in die Tötungsanstalt Brandenburg a. d. Havel verlegt.
Edmund Siemon
Edmund Siemon wurde am 26.4.1905 als Sohn des Maurers Johann Wilhelm Siemon und seiner Ehefrau Dorethea Elisabeth geb. Wolf in Datterode geboren. Da keine Patientenakte erhalten ist, wissen wir nur sehr wenig über ihn. Nach mündlichen Berichten aus Datterode soll er geistig behindert gewesen sein. Er starb am 24.4.1942 in der „Zwischenanstalt“ Weilmünster.
Friedericke Maria Brill und ihr Sohn Johann Georg Friedrich
Aus Dudenrode wurden Friedericke Maria Brill und ihr Sohn Johann Georg Friedrich Brill zu Opfern der Psychiatrie bzw. der „Euthanasie“. Ihre Lebens- und Leidenswege sind eng miteinander verknüpft.
Johann Georg Friedrich Brill, genannt Fritz, wurde am 16. März 1914 als Sohn des Holzhauers Georg Wilhelm Brill und seiner Ehefrau Friedericke Maria Brill in Dudenrode geboren. Seine Taufe fand am 13. April 1914 im Pfarrhaus statt. Der Vater kam bereits zwei Jahre später am 24. Mai 1916 im Ersten Weltkrieg ums Leben. Die Mutter wohnte allein im eigenen Haus und bewirtschaftete einen Garten. Sie ging eine neue Beziehung ein mit dem Dudenröder Witwer Georg Rammenstein, aus der am 7. Oktober 1933 eine Tochter Marie Elisabeth geboren wurde. Doch der Vater kümmerte sich nicht um seine Tochter und zog zu seinen Kindern nach Bad Sooden-Allendorf.
Fritz arbeitete nach seiner Schulzeit ab dem 14. Lebensjahr in einem Steinbruch am Hohen Meißner. Dort wurde er gehänselt und bedroht: „Wenn du nicht ordentlich arbeitest, wirst du kastriert“. Dies berichteten nahe Verwandte und ein Nachbar der Familie, die von der Enkelin und Nichte der Erwähnten im Jahre 2001 zu Recherchen vor Ort besucht und befragt wurden. Im Jahr 1936 holte ein Polizist Fritz zuhause ab und brachte ihn in das Karlshospital nach Kassel. Dieses „Zufluchtsheim“ der Inneren Mission für Geisteskranke, Alkoholkranke und sonstige Pflegebedürftige war im Februar 1936 vom „Verein für Volkswohl“ übernommen worden. Fritz berichtete, “ein Polizist habe ihn zu Hause abgeholt, weil er keine Kinder kriegen soll. Er habe ihn nach Kassel gebracht. Auf Befragen, ob es ihm denn dort gefallen habe, meint der Kranke: Die anderen haben immer besseres Essen gekriegt als ich. Und dann habe ich in einem Bett liegen müssen, wo einer gelegen hat mit Auszehrung.“ Am 22. Oktober 1936 wurde Fritz Brill in das Landeshospital nach Haina verlegt. Dort diagnostizierte man bei ihm „Imbezillität“ (geistige Behinderung).
In Haina werden in der Patientenakte Selbstverletzungen, Appetitlosigkeit keinerlei Kontaktbedürfnis vermerkt: „Reißt sich täglich den Verband ab, ist voll und ganz uneinsichtig und unbelehrbar, lacht zu allem nur immer ganz blöde. Ist an keine Arbeit heranzuziehen … Zeigt im übrigen seit seiner Aufnahme mangelhaften Appetit. Schüttet das Essen, wenn es ihm nicht passt, einfach auf den Boden.“
Am 28. Januar 1938 besuchte ihn seine Mutter Friedericke mit ihrer Tochter Marie Elisabeth in Haina. Doch auch ihnen gegenüber kam ein Kontakt kaum zustande: „Er war kaum zum Reden zu bewegen, benahm sich seinen Angehörigen gegenüber, als ob er völlig fremde Menschen vor sich habe.“. Am Tag darauf wurde bei Friedericke Brill von einem Arzt in Bad Sooden-Allendorf „Halluzination“ diagnostiziert. Die Tochter Marie Elisabeth wurde ihr weggenommen und bei einer kinderlosen Familie auf dem Gelsterhof bei Witzenhausen untergebracht. Am 1. Mai 1938 wurde auch Friedericke Brill von einem Gendarmen in das Karlshospital Kassel gebracht, da sie sehr erregt gewesen sei und Angst gehabt habe, man wolle sie verbrennen oder ihr den Kopf abschlagen. Am 4. Mai wurde ihr das Mittel „Scopolamin“ gespritzt, das man zur Beruhigung von hocherregten geistig Kranken verwendete, und sie wurde in die Landesheilanstalt nach Merxhausen eingewiesen. Der Anstaltsarzt notierte im Aufnahmebericht: „zeitlich und örtlich völlig orientiert, Gesicht wird zu Grimassen verzogen, bisweilen ängstlich, bittet, man solle sie noch nicht umbringen. Steht stundenlang mit verklärter Miene und betet und zittert. Diagnose: Schizophrenie. Keine Familie vorhanden, Aufnahme in eine geschlossene Anstalt ist dringend erforderlich.“ Weil keine Angehörigen vorhanden waren, wurde der Waldarbeiter Heinrich Speck aus Dudenrode zu ihrem Pfleger bestimmt. Doch sein Wirkungskreis umfasste nur die Vertretung in vermögensrechtlicher Hinsicht. Weitere Eintragungen in der Patientenakte belegen, dass Friedericke Maria zeitweilig “die Nahrungsaufnahme verweigerte und künstlich genährt werden musste“. Am 19. September 1938 verstarb sie. Als Todesursache wurde „Marasmus“ (Mangelernährung) genannt. Die Beisetzung fand am 23.September 1938 auf dem Anstaltsfriedhof (Grab Nr.: 463) statt.
Auch Fritz Brill ging es schlecht im Landeshospital Haina. In der Patientenakte heißt es am 8.9.1937: “Patient steht den größten Teil des Tages in den Ecken herum. Er ist stumpf, interessenlos. Dann und wann lächelt er blöde. Auf Fragen gibt er nie Antwort, zuckt höchstens mit den Schultern. Ist zu keiner Arbeit zu gebrauchen. Die Nahrungsaufnahme ist zeitweise schlecht“. Die Diagnose wurde noch um „Schizophrenie“ erweitert. Am 5. Juni 1941 wurde Fritz Brill in die „Zwischenanstalt“ Kalmenhof in Idstein verlegt. Nur in Ausnahmefällen kam es von dort zu einer Rückverlegung nach Haina. Eine solche ist nicht belegt. In der Regel folgte die Verlegung in die Tötungsanstalt Hadamar. An welchem Tag genau Fritz Brill dort starb, ist in den Dokumenten nicht festgehalten.
Elise Louise Friedrich
Auch von Elise Louise Friedrich ist leider keine Patientenakte erhalten. Sie wurde am 30.10.1888 als Tochter und drittes Kind des Weißbinders Justus Friedrich und seiner Ehefrau Katharina Elisabeth geb. Hohmann in Eltmannshausen geboren. Über ihre Behinderung oder Erkrankung wissen wir noch nichts. Zeitweise war sie Patientin in Merxhausen. Von dort wurde sie in die Zwischenanstalt Herborn verlegt, am 19.6.1941 dann nach Hadamar gebracht und dort ermordet.
Sophie Gleim
Sophie Gleim war am 8.2.1904 als Tochter des Lohgerbergesellen Friedrich Wilhelm Gleim und seiner Frau Maria Christina Emma geb. Holzapfel in Eschwege geboren. Sie wurde in Eschwege evangelisch getauft und konfirmiert. Am 11.4.1918 wurde sie in der Anstalt Hephata aufgenommen. Am 25.5.1938 wurde sie vom Landeshauptmann nach Merxhausen verlegt. Dort wird ihr in einem Meldebogen „angeborener Schwachsinn schweren Grades“ attestiert. In der Rubrik „Symptome“ wird angegeben: „ruhig, verträglich, stumpf, etwas unsauber, pflegebedürftig“. Über die „Zwischenanstalt“ Herborn, in die sie am 30.4.1941 überstellt wurde, kam sie am 19.6.1941 nach Hadamar, wo auch sie ermordet wurde.
Viktor Heilbrunn
Viktor Heilbrunn wurde am 24.10.1906 als Sohn des Pferdehändlers Ferdinand Heilbrunn und seiner Frau Clara geb. Stein in Eschwege geboren. Er besuchte seit Ostern 1915 die Friedrich-Wilhelm-Schule in Eschwege. Nach einem Fahrradunfall wurde er am 4.11.1938 in der Anstalt Haina mit der Diagnose „Schizophrenie“ aufgenommen. Er war ohne Beruf. Die Erkrankung sei im Jahr 1937 ausgebrochen. In diesem Jahr wurde er auch unfruchtbar gemacht. Am 25.9.1940 wurde er in die Landesheilanstalt Gießen verlegt, eine Sammelanstalt für jüdische Patienten. Viktor Heilbrunn wurde am 1.10.1940 in Brandenburg an der Havel ermordet.
Johanna Himmelstern
Johanna Himmelstern geb. Bernstein wurde am 4.5.1886 in Fröndenberg (Westfalen) geboren. Sie war seit dem 2.9.1912 verheiratet mit dem Eschweger Fabrikanten Markus („Max“) Himmelstern und wohnte dort in der Friedrich-Wilhelm-Straße 48. Über ihre Erkrankung wissen wir bisher nichts. Ihr Mann wurde am 18.10.1941 verhaftet und starb am 15.6.1942 im Konzentrationslager Dachau. Sie wurde am 24.6.1941 in das Konzentrationslager Ravensbrück gebracht. Von dort wurde sie in die Tötungsanstalt Bernburg a.d. Saale verlegt. Dies geschah wahrscheinlich im Rahmen der „Aktion 14f13“. Sie diente dazu, die als „krank“, „alt“ und „nicht mehr arbeitsfähig“ bewerteten KZ-Häftlinge zu selektieren und zu ermorden. Nach Bernburg kamen Transporte aus den Konzentrationslagern Buchenwald, Groß-Rosen, Flossenbürg, Neuengamme und Ravensbrück. Johanna Himmelstern wurde am 11.3.1942 in Bernburg ermordet.
Adalbert Carl Kley
Adalbert Carl Kley war am 11.3.1891 als Sohn des Uhrmachers Carl Kley und seiner Ehefrau Auguste in Eschwege geboren. Er war nach der Patientenakte der „Provinzial=Heil= und Pflegeanstalt Eickelborn“ ledig und evangelisch, sein letzter Wohnort war Langendreer, ein Vorort von Bochum. Ein Arzt aus Langendreer hielt fest: „In der Kindheit fanden Krämpfe statt. Hat keine Schule besucht. Das Leiden ist angeboren.“ Adalbert Kley wurde im Jahr 1914 in Eickelborn aufgenommen mit der Diagnose „Idiotie“. Am 23.8.1916 wurde er in das in katholischer Trägerschaft befindliche „Haus Kannen“ bei Münster überstellt, in dem er dann 21 Jahre lebte. Am 7.2. 1928 heißt es in einem Tagesvermerk: „Läuft viel unnötig herum, schwatzt in kindischer, alberner Weise; immer freundlich und bescheiden.“ Am 4.3.1930 ist „eine Verständigung mit ihm nicht möglich.“ Am 29.9.1937 wurde er wieder in die Heilanstalt Eickelborn überführt. Im Tagesvermerk vom 29.9.1939 wird festgehalten: „Leistet nichts.“ Und am 18.7.1940 ist zu lesen: „Lebt unbekümmert in den Tag hinein. Infolge seines geistigen Zustandes zu keiner Arbeit zu gebrauchen.“ Von Eickelborn wurde Adalbert Kley am 2.7.1941 in die „Zwischenanstalt“ Eichberg überführt, am 19.8.1941 nach Hadamar verlegt und dort am 25.8.1941 ermordet.
Elisabeth Irmtraud Lieberknecht
Elisabeth Irmtraud Lieberknecht war am 21.6.1932 in Eschwege geboren und evangelisch getauft. Sie ist das bisher einzig bekannte Beispiel von Kinder-„Euthanasie“ aus dem ehemaligen Landkreis Eschwege. Ihre Eltern waren der Kaufmann Fritz Christoph Ernst Lieberknecht und Dorothee Ottilia Erna Lieberknecht geb. Wollenhaupt. Ein Foto aus dem Jahr 1939 zeigt Irmtraud mit ihren Eltern, ihrem Bruder Achim und einer Bekannten. Ihr Bruder Achim schreibt über sie: „Ich liebte sie mehr, als je ein Bruder seine Schwester geliebt hat, gerade weil sie so hilflos war. Sie konnte nicht sprechen und kaum laufen. Jeder meiner Freunde hatte sie in meiner Gegenwart so hinzunehmen, wie sie war. Sie war oft bei mir. Meine Freunde hatten sich auch an sie gewöhnt.“ Dennoch kam sie am 10.1.1941 in die Anstalt Hephata. Von dort wurde sie am 13.1.1943 wieder nach Hause entlassen, jedoch am 1.3.1944 in das Thüringische Landeskrankenhaus Stadtroda eingeliefert. In der Regel erhielten Eltern durch die zuständigen Gesundheitsämter eine Benachrichtigung, dass der „Reichsausschuß zur wissenschaftlichen Erfassung von erb- und anlagebedingten schweren Leiden“ die Einweisung verfügt habe. In Stadtroda wurde bei Irmtraud Lieberknecht „Idiotie nach Encephalitis“ diagnostiziert. Sie hatte also als Säugling oder Kind eine Hirnhaut- und Gehirnentzündung erlitten und davon eine geistige Behinderung zurückbehalten. In der Krankenakte wurde vermerkt: „… kann sich nicht beschäftigen, fängt an zu spielen, keine Ausdauer, ist noch nicht sauber.“ Im Verlaufseintrag vom 19.6.1944, dem Vortag ihres Todes, heißt es: „plötzlicher Anfall, erwachte nicht mehr.“ Vermutlich hatte man das Kind bei einem epileptischen Anfall seinem „Schicksal“ überlassen und keine ärztliche und pflegerische Hilfe geleistet. Nach einem Vierteljahr erhielten die Eltern aus Stadtroda die Mitteilung, dass ihr Kind gestorben sei. Als Todesursache gab das Landeskrankenhaus in Stadtroda am 21.6.1944 „Herzschwäche nach organischem Krampfanfall“ an. Als Todesdatum wurde der 20.6.1944 angegeben. Die Eltern veröffentlichten am 23.6.1944 eine Todesanzeige im „Eschweger Tageblatt“, in der es heißt: „Unser liebes gutes Irmtraudchen ist einen Tag vor Vollendung seines 12. Lebensjahres von uns gegangen … Die Beisetzung hat in aller Stille stattgefunden.“
Martha Elise Luise Lingner
Martha Elise Luise Beck (später verheiratete Lingner) wurde am 27.2.1885 als Tochter des – bei der Geburt bereits verstorbenen – Tuchmachers Johann Reinhard Christoph Beck und seiner Frau Anna Martha geb. Ewald in Eschwege geboren. Die Mutter hatte wohl Sorge, dass sie sterben würde, denn am 9.3.1885 fand eine Nottaufe in der Wohnung der Eltern statt. Als Kind litt sie unter Rachitis und Skrofulose. Infolge einer Gehörgangentzündung („Ohrenlaufen“) war sie schwerhörig. Nach der Schulzeit in der Bürgermädchenschule in Eschwege arbeitete sie in einer Baumwollweberei. Ihre erste Ehe mit dem Gerbereiarbeiter Georg Hermann Koch im Jahr 1907 wurde 1913 geschieden. Sie hatte jedoch aus dieser Ehe ein Kind, das gesund war. Von ihrem zweiten Ehemann, dem Fabrikheizer und Witwer Johannes Nikolaus Lingner, den sie am 13.12.1919 heiratete, wurde sie nach vier Wochen verlassen und am 23.12.1929 geschieden. Ihre psychischen Störungen setzen ein, als eine Schwangerschaft am 6.9.1920 aus medizinischen Gründen durch Kaiserschnitt beendet wurde. Am 24.1.1921 wurde sie in die Landesheilanstalt Marburg eingewiesen. Der dortige Oberarzt hielt am 15.2.1923 in seinem Gutachten fest: „Bei Patientin hat sich auf dem Boden einer mangelhaften körperlichen und geistigen Anlage (Imbellicität, schwere Rachitis) während eines fieberhaften Wochenbettes nach Kaiserschnitt eine Psychose entwickelt, die mehr und mehr schizophrene Züge erkennen läßt, Patientin ist jetzt als chronisch geisteskrank zu bezeichnen; wegen ihrer Neigung zu Erregungen und Verstimmungen und wegen der großen Gefahr etwaiger Verwahrlosung bedarf sie auf zur Zeit noch nicht absehbare Dauer der weiteren Anstaltsbehandlung.“ Am 15.5.1923 wurde sie im Landeshospital Merxhausen aufgenommen. Dort hielt man am 10.9.1923 in einem Tagesvermerk fest: „Jammert von Zeit zu Zeit nach ihrem Bräutigam und ihren ‚Kindern‘.“ Am 20.6.1931 heißt es: „Wird dauernd von ihren quälenden Sinnestäuschungen stark in Anspruch genommen. Sie sucht sich selbst durch emsige Arbeit abzulenken, hilft im Hause wo sie Gelegenheit findet, ist immer sehr gefällig und hilfsbereit gegen andere.“ Noch im Jahr 1940 verrichtet sie ihre Tätigkeit im Haus regelmäßig, bot jedoch das Bild einer „starken Halluzinantin, hält sich ganz für sich, ist stets etwas scheu und wortkarg.“ Am 13.6.1941 wurde sie in die „Zwischenanstalt“ Eichberg überwiesen, am 3.7.1941 nach Hadamar verlegt und dort ermordet.
Hermann Walter Reiß
Hermann Walter Reiß war am 13.2.1910 als Sohn des Schuhmachers Ernst Philipp Reiß und seiner Ehefrau Anna, geb. Vogelei, in Eschwege geboren. Dort besuchte er auch die Volksschule. Im Jahr 1936 war er unverheiratet und von Beruf Schlossergeselle. Am 3.2.1936 diagnostizierte der Amtsarzt in Eschwege bei ihm „Schizophrenie“. Seit etwa vier Jahren sei bei Reiß „Trübsinn und Grübelei“ zu beobachten. Ursache dafür sei wohl eine längere Arbeitslosigkeit. Da seine alten Eltern die Pflege nicht übernehmen könnten, sei die Aufnahme in einer Anstalt notwendig. Am 4.2.1936 heißt es in einem Tagesvermerk: „Beim Haarschneiden sträubt er sich zunächst. Er wolle das Haar lang haben wie Christus, er habe Interesse an dem Naturmässigen.“ Am 3.3.1936 wurde Reiß zwangsweise („eingeschnürt“) in das Landeshospital nach Haina gebracht. Bei der Aufnahmeuntersuchung zeigte er sich „örtlich und zeitlich gut orientiert“. Reiß erklärte, „er sei nicht krank, habe auch nichts getan, was jemand für krankhaft halten könnte.“ Dennoch wurde bei ihm eine „schizophrene Seelenstörung“ diagnostiziert. In den folgenden Jahren verlangte Reiß immer wieder nach Hause entlassen zu werden. Mehrmals versuchte er auch aus Haina zu fliehen. Am 18.7.1937 erhielt er Besuch von zwei Brüdern. In den folgenden Jahren verschlechterte sich sein Zustand. Am 4.6.1941 wurde in einem Tagesvermerk festgehalten: „Es handelt sich um einen schizophrenen Kranken, der in den letzten Jahren geistig sehr zurückgegangen ist und nur noch triebartig fortdrängt und keine Interessen an der Arbeit hat. Er wird nach Idstein verlegt.“ Von dort wurde er nach Hadamar gebracht und am 7.7.1941 ermordet.
Claus Eichenberg
Claus Eichenberg wurde am 12.4.1878 als Sohn des Ackermanns Johannes Eichenberg und seiner Frau Dorothea Luise geb. Trube in Frankenhain mit einer Gaumenspalte geboren. Der Pfarrer bewertete seine Kenntnisse bei der Konfirmation im Jahr 1892 als „gering“. Seine Eltern starben an Lungenentzündung, der Vater bereits 1894, die Mutter 1896. Aus dem Aufnahmebogen in der Anstalt Haina geht hervor, dass Eichenberg ledig war, in der Rubrik „Stand“ wird „Fabrikarbeiter“ angegeben. Seit dem Jahr 1904 war er wegen „Verschwendungssucht“ entmündigt. Als Vormund wird in der Patientenakte der Frankenhainer Landwirt Johannes Friedrich Becker angegeben. Im Jahr 1909 hielt man in der Akte fest: „Patient war stets ein geistesschwacher Mensch. In den letzten Jahren trieb er sich landstreichend in der Welt herum, verübte Zechprellereien, stahl hier und dort, sagte, er sei verheiratet und habe Kinder, gab sich als Oberschweizer <Melker, Stallknecht> aus, trank viel Alkohol …“. Vom 26.12.1908 bis zum 18.1.1909 war Eichenberg in der Irrenanstalt Frankfurt/Main. Am 8.4.1909 wurde er „in stark alkoholisiertem Zustande“ in die Landesheilanstalt Marburg aufgenommen. Dort war er ein schwieriger Patient, „zu ernster Arbeit nicht zu gebrauchen“. Das Gutachten des Direktors kommt zu dem Ergebnis: „Patient leidet an Imbellicität <alte Bezeichnung für geistige Behinderung>. Bei der Art des Leidens ist eine Heilung ausgeschlossen. Da er außerhalb der Anstalt sofort wieder mit dem Gesetz in Konflikt geraten würde, so bedarf er der dauernden Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt.“ Aus Marburg wurde Eichenberg am 22.11.1909 nach Haina überführt. Dort hält man am 20.1.1910 fest: „Er ist fleißig und willig und verhält sich auch gegen seine Mitkranken freundlich und ruhig. Gerne möchte er seine Freiheit wiederhaben …“. Ferner wird festgehalten: „Er kann nicht allein schreiben, nur sehr schlecht lesen …“. Eichenberg wurde jedoch am 27.4.1917 aus Haina entlassen, wahrscheinlich nach Merxhausen. Im Jahr 1931 lebte er auf der Landstraße. Das Landeskrankenhaus Hanau teilte der Landesheilanstalt Haina am 4.7.1931 mit, Eichenberg leide immer öfter unter „heftigen Erregungszuständen“, so dass ein Verbleiben auf der Landstraße nicht mehr möglich sei und er wieder in Haina aufgenommen werden müsse. Zu einem unbekannten Zeitpunkt kam er in die „Zwischenanstalt“ Herborn und schließlich am 19.6.1941 nach Hadamar, wo er umgebracht wurde.
Anna Elise Hildebrandt
Anna Elise Hildebrandt war am 14.6.1890 als Tochter des Maurers Martin Hildebrand und seiner Frau Anna Elisabeth geb. Lenz in Frankershausen geboren. Bereits am 7.10.1900 wurde sie in der Anstalt Hephata aufgenommen. Dort lebte sie fast 38 Jahre lang, bis sie am 30.9.1938 vom Landeshauptmann nach Merxhausen verlegt wurde. Von Merxhausen kam sie am 12.6.1941 in die „Zwischenanstalt“ Eichberg. Am 2.7.1941 wurde sie nach Hadamar verlegt und dort ermordet.
Willi Geißler
Auch über Willi Geißler wissen wir bis jetzt nicht viel, da die Patientenakte nicht mehr vorhanden ist. Er war am 15.7.1900 als unehelicher Sohn von Katharina Geißler in Frieda geboren. Zeitweise lebte er als „Pflegling“ in den Anstalten Hephata. Am 2.5.1921 wurde er von Hephata aus in Haina aufgenommen. Am 5.6.1941 wurde er in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster gebracht. Von dort wurde er am 26.6.1941 nach Hadamar verlegt und ermordet.
Karl Biehl
Daniel Friedrich Karl Biehl wurde am 7.3.1889 in Herleshausen geboren. Über seinen Lebensweg wissen wir nur wenig. Er war verheiratet mit Elisabeth geb. Adam. Karl Biehl war „Anstaltspflegling“, starb angeblich am 17.7.1941 in Hadamar-Mönchberg und wurde am 18.7.1941 am Sterbeort eingeäschert. Die Beisetzung der Urne erfolgte am 1.9.1941 in Herleshausen. Die Traueransprache bezog sich auf Psalm 125 Vers 1.
Paula Isabella Cordula Hohmann
Paula Isabella Cordula Hohmann war am 27.8.1903 als Tochter des Schneidermeisters Nikolaus Heinrich Hohmann und seiner Frau Eva Dorothea geb. Baum in Herleshausen geboren. Am 13.9.1903 wurde sie in Herleshausen evangelisch getauft. Woran sie erkrankt war oder worin ihre Behinderung bestand, wissen wir nicht. Sie wurde jedenfalls am 24.1.1918, also mit 14 Jahren, in die Anstalt Scheuern aufgenommen. Am 1.4.1941 kam sie mit einem Transport im Rahmen der „Aktion T4“ „ungeheilt entlassen in eine andere Anstalt“. Diese „andere Anstalt“ war Hadamar, wo man sie ermordete.
Heinrich Julius Hose
Heinrich Julius Hose wurde am 10.9.1871 als Sohn des Tagelöhners Philipp Hose und seiner Frau Dorothea geb. Hose in Langenhain geboren. Er wurde evangelisch getauft und im Jahr 1886 in Langenhain konfirmiert. Der Eschweger Kreisarzt schrieb am 14.12.1904 in einem Gutachten, Hose werde „öfter vom Wandertrieb befallen.“ Er sei „ein angeborener Geistesschwacher“: „Als solcher ist er den zwar gutartigen aber gleichwohl unheilbaren und nicht aufbesserungsfähigen Kranken zuzuzählen, deren Überführung in Anstaltspflege aus sozialen Gründen notwendig ist.“ Am 25.3.1905 wurde Hose in das Landeshospital Haina aufgenommen. In der Krankenakte wird er als „Tagelöhner“ bezeichnet. In Haina lebte Heinrich Hose mehr als 36 Jahre. Zeitweise arbeitete er in der Holzkolonne mit, später in der Schälstube. Immer wieder finden sich in der Krankenakte Einträge, die auf eine Kommunikationsstörung schließen lassen: „Lebt still für sich dahin, ist sehr verschlossen und wortkarg. Macht verschrobenen und zerfahrenen Eindruck. Zeigt kein Interesse an seiner Umgebung“ (15.5.1930). Am 27.1.1934 unterzog man ihn einem Intelligenztest, der jedoch eher ein Wissenstest war. Hose bezeichnete Eschwege als die Hauptstadt von Deutschland, wusste aber auch über Luther, dass er die Bibel übersetzt hatte. Am 4.7.1934 wurde er unfruchtbar gemacht. Am 17.1.1941 heißt es dann in einem Tagesvermerk: „Es handelt sich um einen Schwachsinnigen der recht stumpf geworden ist und nur noch für einfache Arbeiten wie Kartoffelschälen geeignet erscheint. Er wird nach Weilmünster verlegt.“ Er wurde am 17.6.1941 in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster und von dort am 19.6.1941 nach Hadamar verlegt, wo er umgebracht wurde.
Anna Martha Sandrock
Anna Martha Sandrock wurde am 17.11.1907 als Tochter des Schreiners Jakob Wilhelm Sandrock und seiner Frau Karoline Wilhelmine geb. Hose in Mitterode geboren. Bei ihrer Konfirmation im Jahr 1921 bewertete der Pfarrer ihre Kenntnisse als „gut“. Da die Patientenakte nicht erhalten ist, wissen wir nicht, welche Behinderung sie hatte oder woran sie erkrankt war. Zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt wurde sie in das Landeshospital Merxhausen aufgenommen. Von dort kam sie in die „Zwischenanstalt“ Herborn, aus der sie am 20.6.1941 nach Hadamar verlegt und dort ermordet wurde.
Rebekka Meyer
Rebekka Meyer geb. Löwenstein war am 28.1.1870 in Nesselröden geboren und jüdischer Herkunft. Sie wohnte zeitweise in Suhl. Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde sie in die Heil- und Pflegeanstalt Bendorf-Sayn überwiesen, eine israelitische Krankenanstalt für Nerven- und Gemütskranke. Im März 1942 wurde sie in das Ghetto Izbica in Polen deportiert. Dieses Ghetto gilt als Durchgangslager für Judendeportationen nach Belzec, Sobibor und Treblinka. Sie soll am 15.6.1942 im Ghetto Izbica gestorben sein.
Eduard Dietrich Hoberock
Eduard Dietrich Hoberock war am 8.5.1881 in Netra geboren. Er wurde am 13.5.1881 in Netra getauft und am 21.4.1894 konfirmiert. Er war Landwirt und Soldat im Ersten Weltkrieg. Am 12.4.1909 heiratete er Anna Wilhelmine Brüning. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor. Am 15.8.1925 wurde er von seinem Vormund Adam Braun, Landwirt in Netra, und dem Ortsdiener von Netra mit einem ärztlichen Zeugnis in die Landesheilanstalt nach Marburg gebracht, weil er „gemeingefährlich geisteskrank“ sei. Seine Frau beantragte die Entmündigung. Sie gab am 5.8.1925 zu Protokoll: „So ging er vor einigen Tagen mit der Axt auf mich los, sodass meine Kinder gezwungen waren, mich im Keller einige Stunden zu verstecken. … Die Anfälle häufen sich in der letzten Zeit derart, dass ein Zusammenleben mit meinem Mann mit großen Gefahren für mich und meine Kinder verbunden ist.“ In der Landesheilanstalt Marburg diagnostizierte man „Schizophrenie“. Im Tagesvermerk am 25.1.1932 heißt es dann: „Der Grundzug in H.s Verhalten ist sein finsteres Wesen. Er schliesst sich ganz ab, kommt mit den Andern nicht in Konnex, sucht von sich aus keinen Anschluss, wendet sich ab, wenn ein anderer ihn anspricht, oder schaut ihn auch böse an ohne irgendetwas zu sagen.“ Am 26.1.1932 wurde er nach Haina verlegt. Dort hielt man am 9.11.1936 fest: „Völlig autistisch, negativistisch, bisweilen gespannt und gereizt. Steht noch dauernd unter dem Eindruck von Sinnestäuschungen und Wahnideen, spricht sich aber kaum je darüber aus.“ Am 17.6.1941 wurde er nach Weilmünster überstellt und dann am 10.7.1941 nach Hadamar verlegt und dort umgebracht.
David Kaschmann
David Kaschmann wurde am 12.1.1894 in Ungedanken (Landkreis Fritzlar) als Sohn des jüdischen Lehrers Joseph Kaschmann und seiner Frau Lina geb. Blumenstiel geboren. Er kam im Jahr 1900 mit seinen Eltern und seiner Schwester Ida (geb. 1896)nach Netra, wo sein Vater eine Lehrerstelle bekommen hatte. David Kaschmann litt an einer Vielzahl psychosomatischer Befindlichkeitsstörungen. Er war erwerbslos und fiel durch seine äußere Erscheinung auf, „sei es wegen seiner vollgestopften Zeitungstaschen, sei es wegen seiner politischen Aktivitäten, die er bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit zu entfalten pflegte. Seine wohlmeinenden Anschauungen wirkten durch die monotone Wiederholung etwas lächerlich.“ Im Jahr 1932 veranlassten ihn junge Netraer Juden dazu, am Vorabend der Reichstagswahl eine politische Rede zu halten. Sie gaukelten ihm vor, die Rede werde vom Rundfunk übertragen. Kaschmann erschien im Festanzug und sprach in einen Trichter hinein: „Wählt die Sozialdemokratische Partei Deutschlands, die einzige Partei die ein wirklich demokratisches Rückgrat besitzt und die ein Garant ist für eine ehrliche und freie demokratische Gesellschaft.“ Am 22.11.1932 wurde David Kaschmann in die Landesheilanstalt Haina aufgenommen. Von dort wurde er am 25.9.1940 zunächst in die „Sammelanstalt“ Gießen und am 1.10.1940 weiter in die Tötungsanstalt Brandenburg a. d. Havel verlegt und umgebracht.
Adolf Heinrich Ewald
Adolf Heinrich Ewald war am 19.1.1905 als Sohn des Tagelöhners Oskar Ewald und seiner Ehefrau Anna Christina Luise geb. Burghardt in Neuerode geboren. Er war von Jugend auf blind. Über seinen Lebensweg wissen wir nur wenig. Am 13.4.1919 wurde er in Neuerode konfirmiert. Wenige Monate später wurde er in die Anstalt Bethel aufgenommen, in der er vom 22.8.1919 bis 25.1.1922 lebte. Von dort wurde er als „gebessert“ in die Heimat entlassen. Bevor er am 27.9.1922 in Haina aufgenommen wurde, war er im Polizeigefängnis Berlin gewesen. In Haina diagnostizierte man „angeborenen Schwachsinn“ und „epileptiforme Anfälle“. Vom 5.7. bis zum 2.8.1930 war er nach Hause beurlaubt. Am 5.6.1941 kam er in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster. Von dort wurde er am 26.6.1941 nach Hadamar verlegt und umgebracht.
Pauline Katharine Luhn
Pauline Katharine Luhn wurde am 3.5.1908 als Tochter des Bahnarbeiters Johannes Luhn und seiner Frau Christina in Niederhone geboren und evangelisch getauft. Sie konnte nicht lesen und schreiben und nur sehr undeutlich sprechen. Bereits als Kind war sie 1918 für ein halbes Jahr Patientin in der Anstalt Hephata. Nachdem ihre leibliche Mutter im Jahr 1925 verstorben war und ihre Stiefmutter sich nicht um sie kümmern wollte, kam sie am 6.2.1928 in die Heil- und Pflegeanstalt Scheuern, die der Inneren Mission angehörte. Pauline Luhn war nur 137cm groß. Ihre Beschäftigung bestand zunächst „im Spielen mit Bauklötzchen oder einem Bilderbuch.“ Andererseits band sie dort „den kleinen Pfleglingen das Lätzchen um. Sie lacht viel, auch ohne Grund.“ Offenbar hatte sie einen besonderen Sinn für Humor und auch für Musik: „Wenn der Posaunenchor spielt, geht sie an’s Fenster, bleibt solange stehen, wie der Chor spielte.“ Als der Nikolaus auf ihrer Abteilung war, „klatschte Luhn in ihre Hände, hatte einen Riesenspaß, keine Angst.“ In der Akte im Archiv Scheuern finden sich Briefe und anderer Schriftverkehr mit der Familie bis zum Jahr 1931. Danach brach der Kontakt mit der Familie ab. Über viele Jahre litt sie an einer chronischen Augenentzündung, die ihre Sehkraft beeinträchtigte. Sie beklagte sich darüber aber nie. Von Scheuern wurde sie am 20.7.1937 in die Landesheilanstalt Marburg überstellt. Als Diagnose wird in der Patientenakte „angeborener Schwachsinn“ angegeben. Im Jahr 1940 heißt es in einem Tagesvermerk: „Unverändert sehr zufrieden. Geht mit zur Schälküche. Macht keinerlei Schwierigkeiten. Immer euphorisch, lächelt stets strahlend, manchmal empfindlich, weint dann gleich in kindlicher Art.“ Aus der Landesheilanstalt Marburg wurde Pauline Luhn am 30.4.1941 in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster und von dort am 13.6.1941 nach Hadamar verlegt und ermordet.
Karl August Wollenhaupt
Karl August Wollenhaupt wurde am 30.5.1876 in Niederhone geboren. Er war von Beruf Maurer. Am 11.12.1900 wurde er in die Anstalt Haina aufgenommen. Dort stellte man die Diagnose „epileptische Seelenstörung“. Aus Haina wurde er am 17.6.1941 in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster verlegt und am 24.7.1941 weiter nach Hadamar, wo er ermordet wurde.
Johann Heinrich Mengel
Johann Heinrich Mengel wurde am 26.12.1892 als Sohn des Maurers Johann Christoph Mengel und seiner Frau Anna Emilia Mengel geb. Hübner in Oberhone geboren. Am 28.12.1919 heiratete er in Reichensachsen Anna Barbara geb. Braueroth. Im Mai 1932 erkrankte Heinrich Mengel. Seine Ehefrau Elise, mit der er inzwischen in Reichensachsen wohnte, beantragte am 31.5.1932 die Aufnahme in eine Anstalt, weil er an einer Geisteskrankheit leide. Sie führte seine Erkrankung auf den Krieg zurück. Er leide an „Nasenfluss und Gasvergiftung“. In einem Fragebogen des Bezirksfürsorgeverbands aus dem Jahr 1932 wird festgehalten, dass er Arbeiter war und seit zwei Jahren arbeitslos. Er hatte zwei Söhne im Alter von zwei und sechs Jahren und eine Tochter im Alter von acht Jahren. In der Chirurgischen Klinik Göttingen wurde bei Mengel eine Nasenoperation vorgenommen. Als er dort anschließend mit einem Messer „tätlich zu werden drohte“, wurde er in die Universitätsnervenklinik eingewiesen. Diese diagnostizierte am 21.7.1932 „einen Zustand paranoider Geistesstörungen, der mit Wahnideen einhergeht, d.h. „Schizophrenie“. Die Zeit vom 11.5. bis 16.8.1932 verbrachte Mengel in der Landesheilanstalt Göttingen. Am 16.8.1932 wurde er in das Hospital Haina aufgenommen. Als sein Pfleger wurde der Landwirt Willy Beyer aus Reichensachsen bestellt. Die Landesversicherungsanstalt Hessen-Nassau hielt am 3.1.1933 als Befund fest: „Er verkennt die Personen seiner Umgebung ist krankhaft verschlossen u. neigt zu Erregungszuständen, in denen er grundlos Pflegepersonen und Mitpatienten angreift.“ Seine Frau Elise erkundigte sich immer wieder schriftlich nach seinem Befinden. Aus Haina antwortete man ihr am 5.3.1935: „Sein Leiden muss als Erbkrankheit im Sinne des Gesetzes angesehen werden. Mit dem Krieg oder mit der Operation hängt es nicht zusammen.“ Seine Frau besuchte ihn noch einmal am 11.5.1940. Aus Haina wurde Mengel am 30.4.1941 in die „Zwischenanstalt“ Idstein verlegt. Ob er wirklich in die Tötungsanstalt Hartheim bei Linz gebracht und dort umgebracht wurde, ist zweifelhaft. Vermutlich wurde er am 9.6.1941 in Hadamar ermordet.
Anna Niebergall
Anna Niebergall war am 18.6.1880 als Tochter des Zimmermanns Johann Christoph Niebergall und seiner Frau Katharina in Rambach geboren und am 25.6.1880 dort evangelisch getauft worden. Sie lebte fast 15 Jahre in den Anstalten Hephata, vom 20.7.1923 bis zum 25.5.1938. Ihr Vater war im Ersten Weltkrieg vermisst, ihre Mutter 1922 an Lungenentzündung gestorben. In Hephata notierte man am 22.10.1923: „Hat sich gut eingelebt, ist fried- und fröhlich.“ Im Jahr 1927 besuchte sie die dortige Schule. Am 3.6.1937 heißt es jedoch: „Schwachsinn schweren Grades, mit starken Erregungszuständen, ist sehr laut und lärmend, zu Beschäftigung unfähig.“ Die Landesheilsanstalt Merxhausen, in die sie am 25.5.1938 aufgenommen wurde, diagnostizierte bei ihr „angeborenen Schwachsinn“. Sie hielt am 4.5.1939 in einem Tagesvermerk fest: „Da Patientin herumläuft, Blumen abschneidet und den Handwerkern das Frühstück wegisst, wird sie heute nach Abteilung 5 verlegt.“ Am 30.4.1941 wurde sie in die „Zwischenanstalt“ Eichberg überstellt und von dort am 28.5.1941 in die Tötungsanstalt Hadamar verlegt.
Johann Heinrich Hellwig
Johann Heinrich Hellwig war am 11.2.1896 als Sohn des Maurers Johannes Hellwig und seiner Frau Katharina Elisabeth geb. Raabe in Reichensachsen geboren. Er wurde in Reichensachsen evangelisch getauft und konfirmiert. Er war ledig und hatte keinen Beruf erlernt. Am 2.2.1935 wurde er von seinem Bruder und zwei Sanitätern in die Anstalt Haina gebracht. Der Bruder gab folgendes an: „Der Vater sei geistig beschränkt, eine Schwester geistesschwach. Patient sei von klein auf schwach begabt, sei in der Schule nicht mitgekommen, könne weder lesen noch schreiben. ? Bettnässen, ? Anfälle. Nach der Schulzeit habe er auf einer benachbarten Domäne bis 1929 geholfen, sei dann entlassen worden. Von da ab sei er zu Hause gewesen und habe sich etwas beschäftigt. Er sei immer gutartig und ruhig gewesen, habe sich nur in letzter Zeit nicht mehr waschen und rasieren lassen, auch offene Füße bekommen. Wegen der Gefahr weiterer Verwahrlosung bringe man ihn hierher." In Haina registrierte man „grosse blaue Flecke und Hautabschürfungen, die darauf schließen lassen, dass Patient zu Hause misshandelt worden ist … Man hat den Patienten zu Hause scheinbar vollkommen verwahrlosen lassen.“ Als Krankheitsbild diagnostizierte man „Propfschizophrenie (Katatone Form)“. Hellwig verlangte am 23.5.1935 „unter Tränen öfter nach Hause.“ Er musste gewaltsam mit dem Löffel gefüttert werden. „Will man ihn anfassen“, wird unter dem 27.12.1935 vermerkt, „so hält er den Arm schützend über den Kopf, als ob er fürchte, geschlagen zu werden.“ Am 30.4.1941 wird in der Akte vermerkt: „Wahnideen – liegt im Bett, ohne jede Beschäftigung … – Unsauber – Verlegung nach Anstalt Idstein.“ Über die „Zwischenanstalt“ Idstein kam er nach Hadamar, wo er im Jahr 1941 ermordet wurde.
Barbara Schneider
Barbara Schneider wurde am 17.3.1898 als Tochter des Tagelöhners Georg Schneider und seiner Frau Anna geb. Herold in Reichensachsen geboren und dort evangelisch getauft. Auch ihre Patientenakte ist leider nicht erhalten, so dass wir nur wenig über sie wissen. Barbara Schneider wurde zu einem bisher unbekannten Zeitpunkt in das Landeshospital Merxhausen aufgenommen. Von dort wurde sie in die „Zwischenanstalt“ Herborn verlegt und am 20.6.1941 weiter nach Hadamar, wo sie umgebracht wurde.
Dorothea Katharina Emilie Neugeboren
Dorothea Katharina Emilie Siebald (später verheiratete Neugeboren) wurde am 29.3.1882 als Tochter des Tagelöhners Johannes Siebald und seiner Frau Katharina Elise in Waldkappel geboren. Dort besuchte sie vier Jahre lang die Grundschule und erlernte die Grundrechenarten. Doch der Lehrer „Aulep“ habe immer zu ihr gesagt: „Sie dummes Schwein.“ In Waldkappel wurde sie auch konfirmiert. Später lebte sie in Quentel (Landkreis Witzenhausen). Als sie am 7.8.1917 in das Landeshospital Merxhausen aufgenommen wurde, war sie verheiratet und hatte drei Kinder, das letzte war am 26.12.1914 geboren. Auch ihre Mutter war zu dieser Zeit Patientin in Merxhausen. Ihr Ehemann wurde am 16.7.1915 als Soldat in den Krieg eingezogen. Am „18.7.1915 begann sie, während sie vom Krieg sprach, „‘irre zu reden‘, wurde aufgeregt, mußte in der Nacht von 4 Mann gehalten werden, sprang am andern Tag aus dem Parterrefenster ihrer Wohnung, wurde am 23.7.15 in die hiesige Anstalt gebracht …“. In Merxhausen diagnostizierte man bei ihr „Schizophrenie“. Sie leide unter „einer Zerfallspsychose, welche eine chronische Form angenommen hat, ist somit chronisch geisteskrank“. Von Merxhausen wurde sie zu einem unbekannten Zeitpunkt in die „Zwischenanstalt“ Herborn überstellt. Am 19.6.1941 wurde sie nach Hadamar gebracht und ermordet.
Katharina Elise Roth
Katharina Elise Roth wurde am 7.1.1882 als Tochter von Anna Catherine Roth, der Witwe des Tagelöhners Heinrich Adam Roth, in Wanfried geboren und evangelisch getauft. Sie besuchte die Volksschule, jedoch „mit geringem Erfolg“. Immerhin konnte sie, wenn auch schwerfällig, schreiben und rechnen, und kannte auch die Bedeutung der christlichen Feste. In einem psychiatrischen Gutachten kommt Dr. Wilhelm Wittneben, der leitende Arzt der Anstalten Hephata, am 12.2.1921 zu dem Schluss: „Roth leidet an angeborenem Schwachsinn mittleren Grades. Sie ist zu keinerlei selbständiges Denken erfordernden Handlungen fähig, wird mit einfachster Hausarbeit beschäftigt. Sie ist durchaus harmlos, aber so willensschwach, daß sie in der Außenwelt sehr leicht der Verführung erliegen würde. Sie bedarf daher noch für einige Jahre der Anstaltspflege.“ Als sie am 22.4.1921 mit 39 Jahren in das Landeshospital Merxhausen aufgenommen wurde, war sie unverheiratet. In der „Krankengeschichte“ wird vermerkt: „war von Geburt an stumpf“. Im Jahr 1927 wurde sie in eine Familie zur Pflege gegeben. Doch schon nach wenigen Wochen musste sie nach Hephata zurückkehren, „weil sie absolut nicht zu gebrauchen war, es war nichts mit ihr anzufangen.“ Nach zehn Jahren Aufenthalt in Merxhausen heißt es am 4.12.1931 in einem Tagesvermerk: „Bietet noch immer das gleiche ruhige Verhalten wie früher, ist gern bei jeder Arbeit, die ihr zugeteilt wird. Lebt still zufrieden in den Tag.“ Wiederum zehn Jahre später heißt es am 11.5.1941: „Arbeitet kaum etwas, ist ganz unselbständig, sehr stumpf, wenig gesellig.“ Am 13.6.1941 wurde sie in die „Zwischenanstalt“ Eichberg verlegt, am 3.7.1941 dann nach Hadamar überstellt und dort ermordet.
Christian Alfred Schröder
Christian Alfred Schröder wurde am 2.10.1886 als Sohn des Schriftsetzers Christian Schröder und seiner Frau Anna Sophie in Wanfried geboren. Er war von Geburt an blind. Vom 20.5.1901 bis zum 21.7.1937 lebte er als „Pflegling“ in Hephata. Von dort wurde er nach Haina überstellt. Am 17.6.1941 kam er in die „Zwischenanstalt“ Weilmünster und wurde am 24.7.1941 nach Hadamar verlegt, wo er ermordet wurde.
Eva Allstädt
Eva Allstädt wurde am 12.4.1887 als Tochter des Ackemanns und Arbeiters Johann Christoph Allstädt und seiner Frau Barbara geb. Dilling in Weißenborn (bei Rambach) geboren und am 24.4.1887 dort getauft. Über ihren Lebensweg wissen wir sehr wenig. Zu einem unbekannten Datum wurde sie in die Anstalt Merxhausen aufgenommen, dann von dort in die „Zwischenanstalt“ Herborn verlegt. Am 19.6.1941 wurde sie nach Hadamar gebracht und dort ermordet. Eine Patientenakte ist nicht erhalten.
Friedrich Adam Meister
Friedrich Adam Meister war am 17.8.1895 als Sohn des Tagelöhners Heinrich Zacharias Meister und seiner Frau Dorothea Katharina geb. Heikmann in Wichmannshausen geboren. Er wurde in Wichmannshausen getauft und konfirmiert. Wir wissen nicht, woran er erkrankt war oder welche Behinderung er hatte, weil die Patientenakte nicht erhalten ist. Er wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt in die Anstalt Herborn aufgenommen. Am 12.3.1941 brachte man ihn nach Hadamar, wo er ermordet wurde.